Sonntag, 17. Juli 2016

Kunstpfad Donauries

Während und nach meinem Jahr in Kolumbien sind diverse Zeichnungen entstanden. Zum einen überlegte ich, ein künstlerisches Studium zu beginnen, und wollte hierfür einige Zeichnungen zusammenzutragen. Im Hinterkopf hatte ich aber immer auch die Bilder bei einer kleinen Ausstellung zurück in Deutschland zu präsentieren. Ich sah es als eine schöne Möglichkeit über die Projekte meiner Entsendeorganisation "Schule fürs Leben" zu reden und Spenden zu akquirieren. Denn der Gedanke des Weltwärts-Programms ist es, dass sich die Freiwilligen auch nach ihrer Rückkehr weiter für die Entwicklungszusammenarbeit engagieren. Nun war mein Engagement in dieser Hinsicht für die Dauer eines Jahres zugebenermaßen etwas eingeschlafen.
Die Organisatoren des "Kunstpfad Donauries" haben in unserem Landkreis nach verschiedensten geschichtsträchtigen oder interessanten Gebäuden gesucht, die für die Dauer vom 17.07-14.08.16 jeweils am Samstag und Sonntag (10.00-18.00) zum Museum und Ausstellungsort verschiedenster Künstler werden. Insgesamt 21 Ausstellungsorte gibt es, an denen 23,5 verschiedene Künstler ausstellen.
Auch das ehemalige Brauereigebäude meiner Familie wurde auserwählt. Zwei Künstler sollten ausstellen, mit mir sind es dann 2,5 geworden. Ich bin zwar kein offizieller Teil der Ausstellung, aber freue mich dennoch über diese glückliche Fügung. Ein paar Eindrücke möchte ich jetzt mit euch teilen. Ich bin froh über die tolle Möglichkeit, die sich - wie das so oft in meinem Leben ist - mal wieder beinahe zufällig ergeben hat.




Helmut Walter´s ausgestellte Kunst






Installation von Norbert Palzer









Mittwoch, 20. April 2016

Impressionen aus meiner neuen Arbeitsstelle - Erstaufnahmeeinrichtung Donauwörth

So bunt sieht unsere Rezeption nun, nach 2 Nachtschichten und mit Hilfe vieler Bewohnerhände, aus.
Dieses Bild hat Layla gemalt. Ihr Traum ist es Sängerin, Künstlerin oder Schauspielerin zu werden.
Symbole für Frieden? Gar nicht so einfach, wenn es religionsübergreifend sein soll. Im Lachen und im Miteinander steckt Frieden.
"Wie heißt du?" fragt mich Malak. Ich sage: "Theresa". Nach kurzem Schweigen sagt Malak dann: "Theresa, ich vermisse meine Mama so sehr!" Ich erfahre, dass sie noch in Syrien ist. Ich sage ihr, sie soll den Schmetterling für ihre Mama malen, und ihr ein Foto davon schicken.


"Love one another!", das wünscht sich Khadija aus Syrien
Frieden in verschiedensten Sprachen....
Vielfalt ist wunderschön!
Einige meiner Kollegen in der Rezeption.








 

Freitag, 2. Oktober 2015

Über den Frieden




Vor einigen Tagen hat die kolumbianische Regierung auf Kuba zwar offiziell Frieden mit der FARC, einer Guerillagruppe, geschlossen, aber es ist eine vorsichtige Freude die sich deswegen in Kolumbien breit gemacht hat. Noch wollen die Menschen nicht so recht glauben, dass Frieden überhaupt möglich ist. Dieser Krieg geht nun schon so lange, dass er ein Stück weit Alltag geworden ist. Ein Kolumbien ohne Krieg kennen viele nicht mehr. Und doch habe ich in meiner ganzen Aufenthaltszeit nur selten wirklich begriffen, dass dieses Land im Kriegszustand ist. Denn es ist ein subtiler und komplexer Konflikt, da gibt es keinen Bombenalarm im klassischen Sinne der einem sagt "Das ist Krieg". 

Dieser Konflikt ist so schwierig zu durchdringen und auch auszulöschen, weil es "DEN" Feind als solches in Form einer Gruppe oder Person wohl gar nicht gibt. Johan Galtung, nominiert in der Kategorie alternativer Friedensnobelpreis, glaubt, dass die Kolumbianer den Konflikt nur dann wirklich lösen können, wenn sie sprichwörtlich das Problem an der Wurzel anpacken. Und diese Wurzel, aus der der Konflikt entstanden ist, ist seiner Einschätzung nach die Armut. Wenn man also nur die Triebe abschlägt, werden bald schon neue nachsprießen. Deswegen ist der neu gewonnene Frieden mit der FARC ein wichtiges Zeichen, das Mut zur Hoffnung gibt, aber bis dieses Land tatsächlich in Frieden leben kann, wird noch einiges mehr passieren müssen - und zwar in der Kernproblematik. Ich halte es für sehr wichtig für das Verständnis dieses bewaffneten Konfliktes, dass wir zu verstehen beginnen, dass das, was wir zu Gesicht bekommen nur der über der Erde liegende Teil der Pflanze ist.

Ich merke wie ich Gefallen finde an dem Bild der Pflanze. So lässt sich nämlich auch wunderschön die Rolle der Drogen in diesem Konflikt erklären. Der Begriff "Drogenkrieg" vermittelt oftmals den Eindruck, dass die Drogen der zentrale Inhalt dieses Konflikts seien. Doch die Drogen waren, wenn wir beim Bild mit der Pflanze bleiben, nur der Dünger, der den zarten Trieben zu Wachstum verholfen hat. Denn um Krieg überhaupt führen zu können, braucht man vor allem eins - Geld. Und so hat beispielsweiße die Guerilla sich das Geschäft mit den Drogen zu Nutze gemacht, um die Durchsetzung ihrer Interessen überhaupt erst finanzieren zu können. Bei all den Blutbädern die sich Guerillagruppen, Paramilitärs und der Staat geleistet haben, vergisst man nämlich schnell, dass die FARC in ihren Anfängen rein ideologisch motiviert waren. So erzählt der Versuch dieser kommunistisch orientierten Gruppe politisches Mitspracherecht zu bekommen auch davon, wie Ideen, die eigentlich für den Menschen gedacht waren, irgendwo zwischen Blut, der Rekrutierung Minderjähriger, Entführungen und Drogen untergegangen sind. Doch viele Kolumbianer erinnern sich noch an diese anfänglichen Ideen, ja sympathisieren sogar zu großen Teilen mit ihnen, nicht aber mit dem, was aus diesen Ideen geworden ist und wie sie versucht wurden umzusetzen. Die Weste der Guerilla kann also genauso wenig tiefschwarz gemalt werden wie die des Staates weiß. Alle Beteiligten, seien es Guerilla, Paramilitärs oder der Staat selbst haben sich ausnahmelos mit Schuld befleckt und wirtschaftliche und politische Interessen über die Menschlichkeit gestellt.

Hart hat es dabei vor allem die Zivilbevölkerung in den ruralen Gebieten getroffen, denn Staat und Politik haben es nicht geschafft bis in die verlegensten Winkel des Landes präsent zu sein. So wurden die ländlichen Gebiete zum Austragungsort des Kräftemessens zwischen den verschiedenen Akteuren im Konflikt. Das Resultat sind 6 Millionen Binnenflüchtlinge, also Menschen die innerhalb ihres eigenen Landes auf der Flucht sind. Viele dieser Binnenflüchtlinge stranden in den Städten in nicht autorisierten Flüchtlingssiedlungen. Doch nicht nur zur Kriegsführung braucht man Geld, nein auch zum Leben. Und so kann ein Opfer schnell zum Täter werden. Wer kennt schon die Geschichte des Mannes, der dich auf der Straße mit einem Messer bedroht und möchte, dass du ihm deine Wertsachen gibst?

Wird man überfallen, denkt man nicht automatisch an Krieg. Sieht man die vielen wild an den Berghängen Calis wuchernden Häuserviertel, denkt man nicht automatisch an Krieg. Das meine ich, wenn ich von einem subtilen Krieg rede, denn wer wie ich ein Jahr in Cali gelebt hat, der lebt nicht in ständiger bedrückender Präsenz des Konflikts. Die kausale Kette ist im Alltag oft zu lang um sie bis zu ihrem Ende zu denken. Bleiben wir beim plakativen Beispiel des Straßendiebs. Denn hier schließt sich der Kreis und wir sind wieder an der Kernproblematik angekommen: Der Armut und fehlenden Alternativen.


Was wir also brauchen sind Möglichkeiten und Alternativen für Kokabauern, Binnenflüchtlinge, Guerillakämpfer, das gesamte kolumbianische Volk. Was wir brauchen sind unbestechliche, am Wohl seiner Bürger interessierte Politiker aus der Mitte heraus und keine reiche Eliteregierung die sich noch mehr bereichert an dem, was für das Volk gedacht war. Wir brauchen zudem Politik, die auch in den ruralen Landstrichen ankommt. Und zu guter Letzt, brauchen wir ein Volk, dass erwacht aus seiner Lethargie und aufhört wegzuschauen.



Montag, 1. Juni 2015

Die Gedanken sind frei




eine "Yo te cuento"-Geschichte von Theresa Scheible

Auf der circa 30minütigen Fahrt von Montebello nach Cali sausen am Straßenrand immer wieder unbewohnte Abschnitte vorbei und beim Anblick der abfallenden Böschung und der wild wuchernden Fauna frage ich mich manchmal, wo hier schon überall Menschen gestorben sind oder nie gefunden unter der Gestrüppdecke liegen.

Gefüttert werden diese Gedanken von den Vermisstenaufrufen, die in meinen Mittagspausen an der Arbeit ab und an in ganzen Sequenzen über den Bildschirm laufen. Immer wieder sehe ich Bilder von Frauen, Opas, Kindern. Menschen die vor acht Monaten verschwunden sind, vor zwei oder gar vor fünfzehn Jahren. Und mit den Bildern kommt die traurige Gewissheit, dass diese Menschen wohl mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr auftauchen werden. Nicht mal das, was von Ihnen noch übrig ist.

Kolumbien hat einfach zu viele Tote. Zu viele, als dass sich die Polizei jedem Einzelfall ausreichend annehmen könnte, zu viele, als dass die Leute es melden würden, wenn sie mal wieder ein paar Leichen auf dem Rio Cauca herunter treiben sehen. Der leblose Körper schwimmt davon, und mit ihm jede Gewissheit für die Angehörigen.

Wenn meine Gedanken dann so treiben, mustere ich auch gerne mal meine Mitfahrer im Jeep. Frage mich dann, ob ich am Ende gerade mit jemandem im Wagen sitze, der schon einen Menschen ermordet hat. Warum liegt die Tötung eines Menschen hier so viel näher als in Deutschland, warum ist die Hemmschwelle so viel kleiner? Mord scheint hier wirklich so etwas wie eine Option um Probleme zu lösen - und Kolumbien hat viele Probleme. Politik, Macht, Geld, Drogen, Beziehungen, Rivalitäten.

Ich glaube, der Bürgerkrieg hat das Land in dieser Hinsicht gezeichnet. Es ist etwas anderes, wenn Soldaten in den Krieg gegen ein anderes Land ziehen und klar definiert ist, wer Feind ist und wer Verbündeter. Wenn aber innerhalb des eigenen Landes verschiedenste Interessengruppen gegeneinander kämpfen und es immer unklarer wird, wer eigentlich für welche Ziele eintritt, gewinnt, so zumindest meine Idee, auch das Töten an Leichtigkeit. Die Grenzen verschwimmen, die Interessen auch. Sie bilden ein wucherndes Geflecht, das den Staat unterwandert und das menschliche Leben instrumentalisiert um seine Ziele durchzusetzen – es wird wortwörtlich über Leichen gegangen.

Ein Mann mit Machete steigt in den Wagen. Auch wenn die Machete hier ein normales Werkzeug ist fühle ich mich nicht ganz wohl beim Anblick der langen gebogenen Klinge und suche verunsichert den Blick meiner Mitfreiwilligen.

Gerade spitzt sich die Situation hier im Valle de Cauca wieder zu. Bewaffnete Raubüberfälle haben spürbar zugenommen. Uns wurde erklärt, dass die Situation so umschlüge, weil in Cali gerade viele Binnenflüchtlinge Zuflucht suchen. Andere Städte würden diese Zuwanderung unterbinden, doch hier wäre das noch nicht geschehen. Also nimmt gerade die Kriminalität in der Stadt zu, denn zum Leben braucht man ja bekanntlich Geld. Cali gilt nun (wieder/immer noch?) als sogenannte rote Zone. Auch die Guerilla ist der Drei-Millionen-Stadt wieder ein Stückchen näher gerückt und wartet im Nachbar-Departemento Cauca.

"Por aquí, por favor!" Mit lauter Stimme versuche ich gegen das Klappern des Jeeps anzukommen. Der Fahrer hält an und ich quetsche mich an meinen Mitfahrern vorbei aus dem überfüllten Wagen. Nach einem kurzen Fußmarsch stehe ich vor dem großen Eisentor des "Hogar de la Luz" – meiner Einsatzstelle.

Hier in Kolumbien beginnt man zu begreifen wie wichtig Bildung ist. Einer gebildenden Person stehen nicht nur mehr Wege offen, auch die Art zu Denken und an Probleme heranzugehen ändert sich. Die Arbeit von "Schule fürs Leben" und anderen Vereinen hier in Kolumbien, die sich dem Thema Bildung annehmen, ist also heute wie morgen von großer Wichtigkeit. Denn wie schon Nelson Mandela sagte:

"Bildung ist die stärkste Waffe um die Welt zu verändern"

Mittwoch, 22. April 2015

Zwischenbericht






Weltwärts – zweiter Zwischenbericht
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Von: Theresa Scheible

Entsendeorganisation: Schule fürs Leben e.V. in Frankfurt

Einsatzort: Cali, Kolumbien

Einsatzstelle: Hogar de la Luz

Datum: 20. März 2014
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Die ersten 6 Monate meines Freiwilligendienstes sind bereits ins Land gezogen. Tatsächlich ist dieses Freiwilligenjahr das bisher intensivste Jahr meines Lebens und ich glaube der Schatz an Erfahrungen und Erkenntnissen, den ich innerhalb dieser kurzen Zeit gewonnen habe, ist unbezahlbar. Ich kann mich wirklich sehr dankbar schätzen, auch wenn nicht alles in diesem Freiwilligenjahr reibungslos funktioniert hat und erst recht nicht alles so war, wie ich mir das in Deutschland vorgestellt hatte. Aber ich glaube genau aus diesen Momenten, wenn der Plan nicht aufgeht, lernt man am meisten.

Das „Taller Textil“
So hatte ich nicht eine Sekunde ernsthaft damit gerechnet, dass ich meine Einsatzstelle werde wechseln müssen und das Taller Textil vorübergehend schließt. Vom jetzigen Standpunkt aus betrachtet sind die Erinnerungen an meinen Abschnitt im Taller Textil schmerzhaft und werden überschattet von all den Rückschlägen und Schwierigkeiten, die meine Arbeit dort begleitet haben. Es braucht wohl noch etwas Zeit und Abstand bis ich all die schönen Erinnerungen, die ich an meine Zeit im Taller habe, wieder als solche wahrnehmen kann und nicht mit den Bildern vom Ende des Tallers überlagere. Stand der Dinge ist momentan, dass das Taller erst wieder eröffnet werden soll, wenn dafür ausreichend Geld vorhanden ist. So wird gewährleistet, dass das Taller nicht nur vorübergehend existieren kann, sondern auch wirklich Handlungsspielraum vorhanden ist. Als ich im Taller war, konnten ja nicht mal Materialien gekauft werden.
Auch wenn die vorübergehende Schließung des Tallers traurig ist, weil es wohl noch ein bisschen dauern wird, bis das Taller wieder eröffnet werden kann, so ist es doch meines Erachtens der einzig richtige Ansatz. Es wäre für die Schüler nicht mehr zumutbar, wenn sich das Taller mehr schlecht als recht von Monat zu Monat schleppt.

Meine neue Einsatzstelle „Hogar de la Luz“
Für mich haben sich mit dem Wechsel der Einsatzstelle viele neue und spannende Möglichkeiten ergeben. Das „Hogar de la Luz“ war ursprünglich ein Heim für Mädchen aus schwierigen Verhältnissen. Als die letzte Freiwillige dort war, hat die Einsatzstelle dasselbe traurige Schicksal ereilt, wie einige der Talleres-Lehrwerkstätten – sie musste vorübergehend schließen. Seitdem hat sich hier vieles verändert. Die Betten der Mädchen sind Nähmaschinen gewichen und bieten nun Raum für weitere berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Fundación hat einen Vertrag mit der Sena abgeschlossen. Sena ist eine staatliche Einrichtung und bietet kostenlose Ausbildungen an. Ausgebildet werden soll in den Fachbereichen Nähen, Backen, Kochen und weitere. All diese Projekte sind momentan in Arbeit, sprich noch nicht umgesetzt.
In meiner Einsatzstelle arbeiten also Stella und Alexandra mit aller Kraft daran, dass schon bald der Lehrbetrieb aufgenommen werden kann, während ich Interessierten aus den umliegenden Barrios (Montebello, Campo Alegre) Englischunterricht gebe. Die erste Woche hatte ich alle Schüler zusammen unterrichtet, sprich von 3 bis 84 Jahren, und es war schlichtweg unmöglich allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die ganz Kleinen mit ihren 3 Jahren hatten schon bald keine Lust mehr ihre Arbeitsblätter auszumalen und begannen durch den Raum zu flitzen, die etwas Größeren reckten mir alle ihr Hefte entgegen, damit ich ihren Hefteintrag loben konnte und die Älteren wünschten sich einen etwas anspruchsvolleren Unterricht, obgleich sie die einfachen Vokabeln noch nicht kannten. Zu meiner Erleichterung wurde dann der Unterricht in kleinere Gruppen eingeteilt, sodass ich jetzt insgesamt vier verschiedene Englischkurse leite – eine Erwachsenen-Gruppe und drei Gruppen von Kleinen. Sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Kleinen ist die Altersspanne zwar nach wie vor relativ groß und reicht bei den Erwachsenen von 15 bis 83, bei den Kleinen von 3 bis 13, aber mit der Zeit schafft man es einen Mittelweg zu finden, um allen so gut es geht gerecht zu werden. Im Erwachsenenkurs bedeutet das zum Beispiel, dass ich mit riesengroßen Buchstaben an die Tafel schreibe und sehr laute rede, damit auch die älteren im Kurs eine Chance haben zu verstehen. Im Kurs mit den Kleinen bedeutet das, dass ich immer Blätter zum Ausmalen vorbereite, damit diejenigen, die noch nicht schreiben und lesen können, auch etwas zu tun haben.
Spannend finde ich zu beobachten, wie ich mit jeder Stunde dazulerne und Strategien entwickeln kann um ein angenehmes Lernklima zu schaffen und konzentrierte und motivierte Schüler mir gegenüber sitzend zu haben. Das ein oder andere Mal war ich doch sehr überrascht, welche Schlüsse ich am Ende einer Stunde ziehen konnte. Das Thema „Food“ war so eine Stunde. Mit viel Liebe ins Detail hatte ich von Milch bis zur Gurke alles gemalt, was mir an Vokabeln wichtig erschien. Ich wollte den Unterricht sehr interaktiv gestalten und hatte dazu eine Einkaufsliste vorbereitet, Rezepte sowie eine Menükarte. Der erste Kurs war begeistert bei der Sache, obgleich mir der Unterricht ziemlich entglitt. 15 Hände streckten mir Gemüse, Obst und Fleisch entgegen und bei all dem „Ich bin jetzt aber dran“ ging der Lerngedanke etwas verloren. Der zweite und dritte Kurs meinte dann schon nach zehn Minuten sie würden sich langweilen und ich verbrachte die Stunde damit die Schüler wieder an den Verkaufstisch zu holen, um Aufmerksamkeit zu bitten und sie zurechtzuweisen.




Im nächsten Kurs zog ich klassischen Frontalunterricht durch, ließ die Schüler die Vokabeln zum Thema „Food“ schreiben und dazu Bildchen malen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass mir die Schüler auf die Barrikaden gehen würden, aber siehe da - keine Beschwerden, ein angenehmes Arbeitsklima. Am Ende der Stunde meinten dann sogar einige ihnen hätte der Unterricht viel besser gefallen als beim letzten Mal. Erfahrungen wie diese erscheinen mir sehr wertvoll, besonders da ich jetzt in Erwägung ziehe „Kunst-Spanisch“ auf Lehramt zu studieren. Zu merken wie man von Mal zu Mal mehr die Dynamik der Klasse beeinflussen und lenken kann ist da doch sehr hilfreich. Was aber werden die Kolumbianer von meinem Englisch Kursen mitnehmen können? Beziehungsweise was motiviert sie dazu Englisch zu lernen?
Bei den meisten ist es wohl die Freude daran, sich mit den „Extranjeros“ oder „Gringos“ (Ausländern) unterhalten zu können und dies dann auch auf Englisch zu tun. Touristen sind hier nämlich nach wie vor etwas Besonderes und nicht allzu oft Gesehenes. Englisch zu sprechen ist in Kolumbien schon fast so etwas wie ein Statussymbol und zumeist sind es auch nur die Wohlhabenderen, die dieser Sprache tatsächlich mächtig sind. Der große Rest kennt wenn überhaupt vereinzelte Wörter wie „beautiful“, die einem dann gerne auf der Straße hinterhergerufen werden. Englisch dient zudem als eine Art Geheimsprache mit der sich Kolumbianer gut über andere gerade anwesende Personen oder Themen, die man lieber nicht im öffentlichen Raum bespricht, unterhalten können. Aber Sprachen haben ein viel größeres Potenzial. Denn Sprache wird zum Schlüssel um neues und unbekanntes zu lernen und lädt dazu ein, einen Blick über den Tellerrand zu wagen.
Ich persönlich empfinde Lateinamerika als einen sehr abgekapselten Raum. Diese Abkapslung hat ihre positiven Seiten, sorgt sie doch für eine so lebendige und pulsierende Kultur mit regionalen Spezialitäten, Tänzen und Musik. Gerade da, wo der Zugang zu Bildung fehlt, fokussiert sich aber auch das Interesse fast ausschließlich auf die eigenen vier Wände und die Arbeit, alles was außerhalb des eigenen Erlebnisradius liegt ist zumeist nicht so wichtig. Was spricht man eigentlich für eine Sprache in Ecuador und was ist die Hauptstadt Kolumbiens? Immer wieder überraschen solche Fragen, aber denkt man dann weiter darüber nach, verwundert sie nicht weiter. Wo soll das Wissen auch herkommen, wenn das Bildungssystem nach wie vor noch so lückenhaft ist? Genau hier ist Sprache ein wundervolles Instrument um Barrieren einzureisen und den Horizont zu erweitern. Für mich ist der Englischunterricht also mehr wie schlicht die Sprache Englisch. Ich sehe Englisch viel mehr als einen Weg, die Menschen dafür zu begeistern, mehr von der Welt wissen zu wollen.
Nun gebe ich aber nicht Montag bis Donnerstag durchgehend nur Englischunterricht. Zwischen den Stunden bleibt immer ein wenig Zeit, um die nächsten Stunden vorzubereiten, sich um die Dekoration der Fundación zu kümmern oder andere Aufträge zu bearbeiten. Das kann das Malen eines Fluchtplanes sein, es kommt aber auch vor, dass ich Papageien bastle oder Bilder male. Ich habe zum Beispiel begonnen auf alte Holzbretter Portraits zum Thema „Kultur Kolumbiens“ zu malen. Auf dem Foto sieht man eine alte Indianerfrau vom Stamm der Guambianos, die im Nachbardepartamento Cauca wohnen. Ich genieße diese Freiräume sehr, in denen ich meine Kreativität ausleben kann.




Diese Woche habe ich zudem „Samaritanos de la Calle“ kennengelernt. Hier werde ich jeden Freitag arbeiten. „Samaritanos“ ist eine Fundaciòn im Zentrum Calis und arbeitet mit den Obdachlosen zusammen. Das Programm leistet eine Art Grundversorgung, die Obdachlosen können sich hier baden, erhalten einen Schlafplatz sowie Essen, können aber auch den Arzt, Zahnarzt oder Friseur aufsuchen. Um den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt vorzubereiten werden spezielle Programme angeboten und es gibt eine Kinderbetreuung, die sich den Kleinen annimmt. In einem anderen Gebäude werden vertriebene Familien für 3 Monate aufgefangen. In welchem Bereich ich bei den Samaritanos arbeiten will, weiß ich noch nicht, das wird sich in der nächsten Woche klären, aber ich erhoffe mir von dieser Arbeit nochmal ganz neue Impulse.
Freizeit technisch bin ich in den letzten Monaten wesentlich ruhiger geworden und es fällt mir gerade ziemlich schwer mich aufzuraffen. Am Anfang war ich ja ständig unterwegs, habe viel mit kolumbianischen Freunden unternommen. Das hat deutlich nachgelassen. Nachdem im Freiwilligenhaus mittlerweile nur noch 8 Mädchen wohnen, ist die Wohnsituation richtig angenehm und wir verstehen uns sehr gut innerhalb der Gruppe. Da werden dann DVD Abende gemacht, gemeinsam gebastelt oder ein WG-Frühstück veranstaltet. Für das kommende halbe Jahr wünsche ich mir, dass ich mich wieder etwas mehr in die kolumbianisch Gesellschaft einbinde und weiterhin so zufrieden bin mit meiner Einsatzstelle. Und euch wünsche ich ebenfalls ein wunderschönes kommendes halbes Jahr! Ich habe eben mein Flugticket geschickt bekommen, am 9. September um 15. 05 habe ich dann wieder deutschen Boden unter den Füssen!:)
Lasst euch ganz feste drücken,

eure Theresa

Freitag, 20. Februar 2015

Lichtblick - "Hogar de la Luz"




Das "Hogar de la Luz" war ursprünglich ein Heim für Mädchen aus schwierigen Verhältnissen. Als die letzte Freiwillige dort war hat die Einsatzstelle dasselbe traurige Schicksal ereilt, wie gerade einige der Talleres-Lehrwerkstätten – sie musste vorübergehend schließen. Seitdem hat sich hier vieles verändert. Die Betten der Mädchen sind 100 Nähmaschinen gewichen und bieten nun Raum für weitere berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Fundación hat einen Vertrag mit der Sena abgeschlossen. Die Sena ist eine staatliche Einrichtung und bietet kostenlose Ausbildungen an. Ausgebildet werden soll in den Fachbereichen Nähen, Backen und Kochen und weitere. All diese Projekte sind momentan in Arbeit, sprich noch nicht umgesetzt.

Ich dachte also eigentlich ich würde hier nicht wirklich viel zu tun haben. Deswegen hatte ich insgeheim den Gedanken in die Einsatzstelle meiner Mitfreiwilligen Isabelle zu wechseln. Die hatte bei "Samaritanos de la Calle" gearbeitet und musste vor einigen Wochen nach Hause fliegen, weil sie Dengue bekommen hatte. Um bei den "Samaritanos" zu arbeiten braucht man schon ein dickes Fell. Hier arbeitet man mit den Obdachlosen im Centro zusammen und ohne ihr T-Shirt mit dem strahlenden Jesus und dem Namen der Fundación hätte Isabelle diese Straßen wohl nicht so ohne weiteres unversehrt betreten können. Jetzt fragen sich einige wohl, warum ich genau hier arbeiten wollte. Ich sah in "Samaritanos" die Möglichkeit nochmal ein ganz anderes Kolumbien kennenzulernen und auch mich selbst. Es ist etwas anderes den Menschen in schönen Gebäuden zu begegnen, oder eben da wo sie herkommen.

Ich ging also zu meinem ersten Arbeitstag im "Hogar de la Luz" mit dem festen Entschluss, ich wolle zu "Samaritanos". Der erste Tag schien auch erst mal meine Erwartung zu bestätigen: Man hatte vergessen, dass ich komme. Da war nur eine Nonne und ein Hund, und ich bekam einen dicken Schinken zum Lesen als Beschäftigungstherapie vorgelegt, in dem ich mich über "Hogar de la Luz" informieren sollte. Beim Anblick meines Mittagsessen - ein Sandwich - faltete die Nonne flehend die Hände zusammen und sah gen Himmel. "Por Dios, eso no es un almuerzo!" (Lieber Gott, das ist doch kein Mittagessen!) Und dann stellte sie mir ein Glas Milch hin, nicht ohne mir zu versichern, dass es eine gute Milch sei und das Verfallsdatum noch nicht erreicht. Dann aber die überraschende Wende. Die Nonne gab mir meinen ersten Auftrag: Mitgliedskarten drucken und zerteilen. Das mag lächerlich klingen, die Aufgabe an sich war auch banal und nicht gerade toll, aber zum ersten Mal seit ich in Kolumbien war hatte mir jemand gesagt wo er meine Hilfe gebrauchen kann - und das ganz von selbst.

Am zweiten Tag warteten weitere Überraschungen auf mich. Man sagte mir, wir würden jetzt erst mal Garn kaufen, damit ich ein Kissen als Anschauungsstück besticken könne. In der Mittagspause hatte ich dann Linsen bei. Und wieder wurden die Linsen mit beunruhigten Blicken begutachtet und mir erklärt wie wichtig ein gutes Frühstück und Mittagessen sei. Man werde sonst krank. Mit dem Salat, der Suppe, der Haupt- und Nachspeise, die Alexandra jeden Tag mit in die Arbeit bringt, will ich aus Bequemlichkeitsgründen nach wie vor nicht mithalten. Nach dem Essen sollte ich gleich mal meinen ersten Englischunterricht geben. Ehrlich gesagt hatte ich geglaubt, dass es eine Hinhaltetaktik war, als davon gesprochen wurde "Los niños ya están" und man so unsere Sorgen, ich könnte zu wenig zu tun haben, aus dem Weg räumen wollte. Ich ging also mit der Erwartung heran, dass vielleicht 3 Schüler zu meinem ersten Unterricht kommen würden, tatsächlich waren wir dann aber eine beträchtliche Gruppe. Meine jüngsten Schüler sind erst drei Jahre alt, und dann war da ein Herr, von dem ich erst dachte er würde meinen Unterricht beobachten. Irgendwann, als ich die Tiernamen an die Tafel schrieb, merkte ich dann, wie er mit zusammengekniffenen Augen da saß und in sein Heftchen kritzelige Notizen machte. Da begriff ich. Motiviert und angestrengt formten seine Lippen die Wörter nach und ich begann größer zu schreiben und lauter zu sprechen, weil ich merkte, dass er damit Probleme hatte. Am Ende der Stunde zeigte der 83-Jährige mir dann stolz sein Heft, in das er bunte Blumen gemalt hatte. Viele Wörter hatte er nicht lesen können und falsch abgeschrieben.

In den nächsten Tag starteten wir dann mit einer Reunión, die mich darin bekräftigte, dass ich im "Hogar de la Luz" richtig war. Alexandra und die Nonne "Stella", auch "Stellita" genannt, übten konstruktiv Kritik, gaben mir viele Tipps wie ich den Unterricht besser gestalten sollte und stellten auch klare Regeln auf. Zu Unterrichtsbeginn sollte alles perfekt vorbereitet sein, die Blätter und Stifte schon auf den Plätzen liegen, wenn die Kleinen und Großen kamen. Kinder dürfen bitte nur nacheinander aufs Klo und die Schüler sollten mir später beim Aufräumen helfen. Zudem sollte ich ein Heft führen und darin eintragen, was ich täglich mache und einen Ordner für jeden Schüler anlegen. So viel Ordnung und Disziplin hatte ich hier nicht erwartet. Ich hatte mir immer gewünscht, jemand würde mir einfach sagen, wo er gerade meine Hilfe gebrauchen kann. Nur so findet doch ein effektiver Einsatz von Freiwilligen statt, indem die Vorgesetzten ihnen auch klar Aufgaben zuweisen oder anbieten. Und wenn das Mitgliedskarten schneiden ist - solange sich der Vorgesetzte dann um wichtiger kümmern kann, ist das doch schon ein Gewinn und eine Hilfestellung. Und dafür bin ich schließlich da. Ich hatte schon fast den Fehler gemacht es als typisch kolumbianisch zu betrachten, dass der Freiwillige hier auch frei darin ist, sich selber um einigermaßen sinnvolle Aufgaben zu bemühen. Ich merke, dass es mir und meiner Arbeit gut tut, wenn die Zügel etwas strammer gehalten werden und dass ich so auch viel mehr für mich selber lernen kann. Nach dem dritten Tag war ich in dem Konflikt, beides zu wollen: Bei den "Samaritanos" neue Erfahrungen zu sammeln, aber eben auch im "Hogar de la Luz".

Jetzt kann ich tatsächlich beides. Freitags bin ich bei Samaritanos, die restliche Woche halte ich Englischunterricht. Mittlerweile ist eine Erwachsenengruppe zusammengekommen, und 3 Gruppen mit Kindern und Jugendlichen.























Alles auf Anfang



Ich bin gerade am Pfannkuchenbacken. Da ruft mir meine Mitfreiwillige Johanna fröhlich zu “Happy Viermonatiges!”. Nun sind es wohl tatsächlich schon vier Monate hier in Cali. Und genau heute stehe ich wieder ganz am Anfang. Gerade jetzt, wo sich langsam der Alltag einschleichen wollte.
Das Taller hat es nicht geschafft autonom zu sein, und genau da soll angesetzt werden. In der Diskussion ist, das Taller als eine Art Mikrogewerbe neu zu eröffnen. Doch im Moment stehen wir ganz am Anfang, es gibt Ideen aber die haben sich noch nicht weiter formiert. Ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten!
Für mich persönlich beginnt nun ein neuer Abschnitt. Mittlerweile muss ich auch sagen, dass dieser Neuanfang vielleicht gar nicht schlecht ist. Denn die ganze festgefahrene Situation in meinem Taller mit dem vorbelasteten Verhältnis zu Schülern und Lehrern hätte mich auf Dauer wohl nicht mehr glücklich gemacht.


Ich mag den Alltag - er ist so schön unaufgeregt und echt. Neuanfänge dagegen sind unbequem und begleitet von der Anspannung und Ungewissheit, ob es gefällt und du gefällst. Neuanfänge sind aber auch der Schlüssel zu neuen Erfahrungen. Hier nach Cali zu kommen war so ein Neubeginn und jetzt, nach vier Monaten, werde ich wieder aus meiner Komfortzone herausgeworfen. Das Leben hat mich ausgespuckt. Aber ich vertraue dem Prozess. Ich vertraue darauf, dass alles genau so, wie es passiert, gut ist. Dass sich mit jedem Puzzleteil, das dazu kommt, langsam ein Bild ergibt. Wenn wir nur das eine Puzzleteil in der Hand halten, wissen wir oft noch nicht so richtig etwas damit anzufangen, aber mit jedem neuen Teil beginnen wir zu verstehen.
Bei meiner Ausbildung war das so. Ich hatte Praktikas bei Strenesse gemacht und in einer Schneiderei. Mein Praktikum in dem Handwerksbetrieb hat mir keinerlei Spaß gemacht und Tag für Tag bin ich mit einem unguten Gefühl nach Hause gekommen. Ich war weder mit den ehrgeizigen Auszubildenden noch mit der strengen Ausbilderin auf einer Wellenlänge. Aber ich wollte hier lernen, weil ich in der Strenge auch eine qualitative Ausbildung sah. Als mir dann mitgeteilt wurde, dass eine Andere die Chance bekommen sollte, war ich erst mal zutiefst unglücklich. Ich fing mit meiner Ausbildung bei Strenesse an und stellte fest, dass der Qualitätsanspruch auch hier hoch war und zudem hatte ich wundervolle Arbeitskolleginnen sowie eine strenge aber herzensgute Ausbilderin. Ein halbes Jahr nach Ausbildungsbeginn hörte ich, dass die Auszubildende im Handwerksbetrieb abgebrochen hatte und der Schneidereibetrieb geschlossen worden war. Aus Situationen wie diesen hat sich bei mir ein Vertrauen in die Entscheidungen des Lebens ergeben. Auch wenn wir im ersten Moment noch nicht verstehen, wo die Reise hingehen soll und wofür das alles gut sein soll. Das Leben weiß eben, wo es einen haben möchte.
Die letzten Wochen in der Lehrwerkstatt waren wahnsinnig schwierig. In der finanziellen Notlage der Talleres haben alle gelitten. Ob das nun die Schüler waren mit ihren wankenden Träumen, die Lehrer, die nicht gezahlt werden konnten oder Andres, der Gründer und sein Team, die verzweifelt versucht haben doch noch einen Umschwung zu schaffen. Für den einen Monat hatten wir das, was dann kam, herauszögern können. Doch diese Zeit hat an den Nerven aller gezehrt und es ging viel zu Bruch. Die Schüler haben sich völlig verschlossen. Sie waren schlichtweg frustriert von der ganzen Situation, sodass ich es sehr schwer hatte mit ihnen zusammen zu arbeiten. Am letzten Tag vor den Ferien sagte mir eine Schülerin : “Theresa, es tut mir Leid, dass ich so gemein zu dir war!” Ich weiß, dass keiner der Schüler ein persönliches Problem mit mir hatte, aber mit all der Frustration war die Kooperationsbereitschaft eben nicht allzu groß. .Auch das Verhältnis mit dem Lehrer des Tallers hatte sich ziemlich abgekühlt.
Dann kamen die Weihnachts- und Neujahrsferien, in denen ich im Büro arbeitete. In die Ferien starteten wir mit der Hoffnung, dass mit den Spenden um die Weihnachtszeit das Projekt weiter finanziert werden könne. An meinem Geburtstag wurde mir dann mitgeteilt, dass Asche vorerst noch Asche bleibe und der Phoenix auf sich warten lasse. Sprich mein Taller gerade nicht in der Kapazität wäre nach den Ferien weiterzumachen. Das war eine Nachricht, die ich, wenn gleich sie doch gar nicht so fern lag, nicht erwartet hatte. Und ich bin erst mal aus dem Büro geflüchtet um mich schluchzend in mein Bett zu werfen. Was für ein Geburtstagsgeschenk! So hatte ich mir mein Freiwilligenjahr nicht vorgestellt. Auch wenn uns noch im Seminar erzählt wurde, dass es immer wieder passieren könne, dass Einsatzstellen aus finanziellen Gründen vorübergehend schließen müssten und mir bekannt war, dass die Talleres am wackeln waren, hatte ich nie gewagt soweit zu denken. Es ist wahnsinnig traurig, was hier gerade in Montebello passiert und es bluten viele Herzen. Am härtesten trifft es Schüler, Lehrer und Gründer. Die Lehrwerkstätten “Gastronomie” und “Schreinerei”können weitergeführt werden, das “Hotellerie und Tourismus” Taller ist noch in der Schwebe. Für alle anderen Lehrwerkstätten bemüht man sich gerade eine Lösung zu finden und die Schüler unterbringen zu können. All das zu sehen tut im Herzen weh, aber man darf auch nie vergessen, dass das hier in Kolumbien kein Schlussstrich ist, sondern eine Phase. Hier in diesem Land sind solche radikalen Einschnitte für die Landsleute durchaus nichts Ungewöhnliches. Aufstehen und weitergehen lautet die Devise - auch für mich.


Nun steh ich da, wo ich ganz am Anfang stand. Habe die Möglichkeit die Menschen aus meiner neuen Einsatzstelle kennenzulernen, ganz ohne Vorbelastung. Ich kann bei Null anfangen. Mit Anspannung und der Ungewissheit, ob es mir gefallen wird und ob ich gefallen werde. Aber ich vertraue auf den Prozess. Ich halte ja erst das erste Puzzleteil in den Händen...