Freitag, 20. Februar 2015

Alles auf Anfang



Ich bin gerade am Pfannkuchenbacken. Da ruft mir meine Mitfreiwillige Johanna fröhlich zu “Happy Viermonatiges!”. Nun sind es wohl tatsächlich schon vier Monate hier in Cali. Und genau heute stehe ich wieder ganz am Anfang. Gerade jetzt, wo sich langsam der Alltag einschleichen wollte.
Das Taller hat es nicht geschafft autonom zu sein, und genau da soll angesetzt werden. In der Diskussion ist, das Taller als eine Art Mikrogewerbe neu zu eröffnen. Doch im Moment stehen wir ganz am Anfang, es gibt Ideen aber die haben sich noch nicht weiter formiert. Ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten!
Für mich persönlich beginnt nun ein neuer Abschnitt. Mittlerweile muss ich auch sagen, dass dieser Neuanfang vielleicht gar nicht schlecht ist. Denn die ganze festgefahrene Situation in meinem Taller mit dem vorbelasteten Verhältnis zu Schülern und Lehrern hätte mich auf Dauer wohl nicht mehr glücklich gemacht.


Ich mag den Alltag - er ist so schön unaufgeregt und echt. Neuanfänge dagegen sind unbequem und begleitet von der Anspannung und Ungewissheit, ob es gefällt und du gefällst. Neuanfänge sind aber auch der Schlüssel zu neuen Erfahrungen. Hier nach Cali zu kommen war so ein Neubeginn und jetzt, nach vier Monaten, werde ich wieder aus meiner Komfortzone herausgeworfen. Das Leben hat mich ausgespuckt. Aber ich vertraue dem Prozess. Ich vertraue darauf, dass alles genau so, wie es passiert, gut ist. Dass sich mit jedem Puzzleteil, das dazu kommt, langsam ein Bild ergibt. Wenn wir nur das eine Puzzleteil in der Hand halten, wissen wir oft noch nicht so richtig etwas damit anzufangen, aber mit jedem neuen Teil beginnen wir zu verstehen.
Bei meiner Ausbildung war das so. Ich hatte Praktikas bei Strenesse gemacht und in einer Schneiderei. Mein Praktikum in dem Handwerksbetrieb hat mir keinerlei Spaß gemacht und Tag für Tag bin ich mit einem unguten Gefühl nach Hause gekommen. Ich war weder mit den ehrgeizigen Auszubildenden noch mit der strengen Ausbilderin auf einer Wellenlänge. Aber ich wollte hier lernen, weil ich in der Strenge auch eine qualitative Ausbildung sah. Als mir dann mitgeteilt wurde, dass eine Andere die Chance bekommen sollte, war ich erst mal zutiefst unglücklich. Ich fing mit meiner Ausbildung bei Strenesse an und stellte fest, dass der Qualitätsanspruch auch hier hoch war und zudem hatte ich wundervolle Arbeitskolleginnen sowie eine strenge aber herzensgute Ausbilderin. Ein halbes Jahr nach Ausbildungsbeginn hörte ich, dass die Auszubildende im Handwerksbetrieb abgebrochen hatte und der Schneidereibetrieb geschlossen worden war. Aus Situationen wie diesen hat sich bei mir ein Vertrauen in die Entscheidungen des Lebens ergeben. Auch wenn wir im ersten Moment noch nicht verstehen, wo die Reise hingehen soll und wofür das alles gut sein soll. Das Leben weiß eben, wo es einen haben möchte.
Die letzten Wochen in der Lehrwerkstatt waren wahnsinnig schwierig. In der finanziellen Notlage der Talleres haben alle gelitten. Ob das nun die Schüler waren mit ihren wankenden Träumen, die Lehrer, die nicht gezahlt werden konnten oder Andres, der Gründer und sein Team, die verzweifelt versucht haben doch noch einen Umschwung zu schaffen. Für den einen Monat hatten wir das, was dann kam, herauszögern können. Doch diese Zeit hat an den Nerven aller gezehrt und es ging viel zu Bruch. Die Schüler haben sich völlig verschlossen. Sie waren schlichtweg frustriert von der ganzen Situation, sodass ich es sehr schwer hatte mit ihnen zusammen zu arbeiten. Am letzten Tag vor den Ferien sagte mir eine Schülerin : “Theresa, es tut mir Leid, dass ich so gemein zu dir war!” Ich weiß, dass keiner der Schüler ein persönliches Problem mit mir hatte, aber mit all der Frustration war die Kooperationsbereitschaft eben nicht allzu groß. .Auch das Verhältnis mit dem Lehrer des Tallers hatte sich ziemlich abgekühlt.
Dann kamen die Weihnachts- und Neujahrsferien, in denen ich im Büro arbeitete. In die Ferien starteten wir mit der Hoffnung, dass mit den Spenden um die Weihnachtszeit das Projekt weiter finanziert werden könne. An meinem Geburtstag wurde mir dann mitgeteilt, dass Asche vorerst noch Asche bleibe und der Phoenix auf sich warten lasse. Sprich mein Taller gerade nicht in der Kapazität wäre nach den Ferien weiterzumachen. Das war eine Nachricht, die ich, wenn gleich sie doch gar nicht so fern lag, nicht erwartet hatte. Und ich bin erst mal aus dem Büro geflüchtet um mich schluchzend in mein Bett zu werfen. Was für ein Geburtstagsgeschenk! So hatte ich mir mein Freiwilligenjahr nicht vorgestellt. Auch wenn uns noch im Seminar erzählt wurde, dass es immer wieder passieren könne, dass Einsatzstellen aus finanziellen Gründen vorübergehend schließen müssten und mir bekannt war, dass die Talleres am wackeln waren, hatte ich nie gewagt soweit zu denken. Es ist wahnsinnig traurig, was hier gerade in Montebello passiert und es bluten viele Herzen. Am härtesten trifft es Schüler, Lehrer und Gründer. Die Lehrwerkstätten “Gastronomie” und “Schreinerei”können weitergeführt werden, das “Hotellerie und Tourismus” Taller ist noch in der Schwebe. Für alle anderen Lehrwerkstätten bemüht man sich gerade eine Lösung zu finden und die Schüler unterbringen zu können. All das zu sehen tut im Herzen weh, aber man darf auch nie vergessen, dass das hier in Kolumbien kein Schlussstrich ist, sondern eine Phase. Hier in diesem Land sind solche radikalen Einschnitte für die Landsleute durchaus nichts Ungewöhnliches. Aufstehen und weitergehen lautet die Devise - auch für mich.


Nun steh ich da, wo ich ganz am Anfang stand. Habe die Möglichkeit die Menschen aus meiner neuen Einsatzstelle kennenzulernen, ganz ohne Vorbelastung. Ich kann bei Null anfangen. Mit Anspannung und der Ungewissheit, ob es mir gefallen wird und ob ich gefallen werde. Aber ich vertraue auf den Prozess. Ich halte ja erst das erste Puzzleteil in den Händen...

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