Sonntag, 26. Oktober 2014

Schöne Aussichten!




Ich würde euch gerne meine Erlebnisse in Gourmethäppchen vorsetzen, aber nun ja, in Wahrheit werde ich euch hier wieder eine bunte Zusammenfassung liefern von dem was ich diesen Monat so alles erlebt habe. Ich hoffe ihr verzeiht mir die deutsche Wirtshaus- Portion, und allen lesemüden bleiben zumindest die Bilder!

Meine Arbeit
Kaum zu glauben, dass ich bei meinem letzten Blogeintrag noch keinen einzigen Arbeitstag hinter mir hatte. Mittlerweile habe ich schon gar keinen Überblick mehr, wie oft ich nun schon mit dem Jeep den buckligen Weg hoch nach Montebello zu meiner Einsatzstelle gefahren bin. Hier fährt man nämlich eher weniger mit dem Bus, sondern auf den Ladeflächen von Jeeps mit. 



Auf den zwei Sitzbänken wird meist schon nahezu gestapelt, dann werden kleine Hocker rausgeholt, auf die sich weitere Leute sitzen können, neben dem Fahrer finden dann noch mal zwei Menschen Platz (Oft steht an den Beifahrersitzen: „Solo Peluches“ - was übertragen so viel heißt wie „nur Schnitten“ - und schließlich hängen sich noch Leute hinten und seitlich außerhalb vom Jeep an. Ich konnte bis jetzt noch nicht beobachten, dass ein Jeepfahrer etwas vorsichtiger gefahren wäre weil Leute außen dran hiengen und finde es immer wieder faszinierend, wie multitaskingfähig die Fahrer sind. Während der Fahrt reichen nämlich alle Mitfahrer ihr Geld vor, der Fahrer nimmt mitten im chaotischen Stadtverkehr das Geld entgegen und zählt erst mal, was man ihm da so in die Hand gedrückt hat. Dann wird das Rückgeld errechnet, einhändig raus sortiert und nach hinten gereicht. Da wo man gerne raus will, heißt es dann „por aquí“, der Jeep hält an, und ich muss noch circa 5 Minuten durch Montebello zur Schule stapfen. Dort sitzen dann meistens Morgens einige Tallereslehrer und Schüler auf einer Bank, und einer der Lehrer liest uns Zitate aus seiner zerfledderten Bibel vor, und betet dann schließlich für die Freiwilligen und gegen die Dämonen der Armut.
Dann gehen wir ins Klassenzimmer. Hier wird gerade viel Schnitt gezeichnet, weil es an Stoffen fehlt. Das Schnittzeichnen hat mich anfangs sehr verunsichert, denn dieses Thema wurde in meiner Ausbildung nur sehr oberflächlich behandelt. Ich hab also erst mal Maschinen geputzt um mich etwas nützlich zu machen.  Aber so langsam entdecke ich die Möglichkeiten, die sich mir bieten, und entdecke auch, wo ich helfen und unterstützen kann. Zum Beispiel gebe ich jetzt zusätzlich Englischunterricht, vielleicht folgt auch Deutsch. Auch was das Nähen angeht, kann ich noch viel von meinem Wissen einbringen und ich werde auch mal ab und zu im Büro sitzen und versuchen Sachspenden für die Lehrwerkstatt aufzutreiben. Außerdem gibt es noch Unterrichtsstunden, die momentan noch nicht wirklich genutzt wurden. Ich habe mir überlegt, mit den Schülern zusammen Traumfängerketten zu basteln, und die dann gegen Spende zu verkaufen. Dieses Projekt hat mir und den Schülern sehr viel Freude bereitet, und sogar die Guadua-Jungs kamen um zu lernen wie man die Ketten macht. Mal sehen in welchem Rahmen sich die Produkte vertreiben lassen.

Jhonni konzentriert beim Nähen
Ein von den Talleres-Schülern selbst genähtes Kleid

Haushexe und andere Dinge, die das WG-Leben so mit sich bringt
 Ich weiß noch sehr genau, wie ich mir schon im Vorbereitungsseminar ausgemalt hatte, wie schwierig es wohl werden würde jetzt das erste Mal allein zu wohnen und dann noch mit 30 Leuten. Nun, das ist es tatsächlich, aber anders wie ich es ursprünglich erwartet hatte. Ich hatte Angst vor der beengten Wohnsituation und fehlenden Rückzugsmöglichkeiten, aber tatsächlich ist das nicht so wild. Wild sind die Berge an Geschirr, die sich Tag für Tag aufs neue auftürmen und die keinem so recht gehören wollen und die ganze sonstige Unordnung, die sich eben so furchtbar schön schnell ergibt, wenn jeder ein kleines Bisschen liegen lässt. Noch in Deutschland hab ich mich schon gesehen, wie ich allen mit meiner Unordnung auf die Nerven gehen würde. Jeder der mein Zimmer kennt, hätte wohl genauso gedacht. Tatsächlich bin ich momentan die „Haushexe“, die verzweifelt versucht gegen das Chaos anzukommen. Ich versuche Geschirrbesitzer ausfindig zu machen oder auch liegengebliebene Sachen wieder an den Mann zu bringen. Eine ziemlich nervenraubender Job, den einem nicht jeder dankt. Anfangs hat der Job auch ziemlich auf die Laune geschlagen, aber mittlerweile kann ich den Anblick von sich türmendem Geschirr besser ertragen. Mal sehen ob sich vielleicht irgendwann auch Erfolge einstellen werden, ich würde es mir sehr wünschen! Hätte mir jedenfalls jemand vor meiner Ausreise gesagt, dass ich die Sauberkeitsbeauftragte des Hauses werde, hätte ich ihn ausgelacht, genauso wie ich mich bei Führungsqualitäten im Vorbereitunsseminar ganz links (also bei fast nicht) eingeordnet hatte, weil mir so Verantwortungsrollen nicht gefallen.

Salsa und Ausflüge
Ich genieße es gerade richtig in der Großstadt leben zu dürfen. Das ist deswegen ein Privileg, weil hier immer was geboten ist. Ob das nun eine Wanderung ist, eine kulturelle Tanzveranstaltung oder das Nachtleben Calis ist, es ist vielfältig und macht wahnsinnig Spaß. So lerne ich auch Salsa, Merengue, Bachata und Salsa Choke und stell mich dabei zwar immer noch nicht an wie ein Naturtalent, aber langsam stellen sich erste kleine Erfolge ein. Das Schöne ist, dass die Standardtänze, die bei uns vielleicht bei Hochzeiten eine Rolle spielen, hier auch im Alltag beziehungsweise im Club ihren Platz finden. Hier findet man fast Keinen, der nicht tanzen könnte, zumal Cali sich als Salsa Capital sieht und die Caleños natürlich die besten Salsa Tänzer der Welt sind!

Ein Kolibribaby, das ich neben dem Klassenzimmer gefunden habe
Ein Foto mit den Gringos bitte! Etwas befremdlich, aber hier wird man tatsächlich gefragt ob es möglich ist ein Foto mit dir zu schießen.
Ivan, Bianca und ich auf dem Weg zu den "Tres Cruces"



So steil und anstrengend hatte ich mir den Aufstieg um ehrlich zu sein nicht vorgestellt!
Glücklich am Ziel
Am "Dia de las Razas" wurden Tanz und Musikstile aus den verschiedenen Regionen Kolumbiens vorgestellt


Bei all diesen wundervollen Erfahrungen, die ich hier sammeln darf, kommt mir ab und an ein Schnittlauchbrot in den Sinn, ein Kaminfeuer, und die tollen Menschen, die am anderen Ende der Welt warten, bis ich wieder heimkomme. 





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