Endlich kann ich meinen ersten Eintrag vor Ort schreiben. Montag ging´s los und wir wurden direkt am Flughafen herzlich von den Mitarbeitern der „Escuela para la Vida“ empfangen. Mit dem Bus fuhren wir dann alle zu unserem neuen Zuhause für dieses Jahr - die Freiwilligen-WG.
Die Freiwilligen wohnen in dem weißen Gebäude
Bei der
Ankunft waren alle ziemlich positiv überrascht, wir hatten uns 30 Leute unter
einem Dach wesentlich beengter vorgestellt. Am nächsten Morgen dann direkt
unter die wirklich eiskalte Dusche. Diese Dusche findet wohl in jedem
Freiwilligenblog irgendwo ihre Daseinsberechtigung, wir machen sozusagen jeden
Tag eine kleine Ice-Bucket-Challange für den guten Zweck! Die ersten Tage waren
sehr organisatorisch geprägt mit vielen Vorträgen von unserem
Ärzteversorgungstem bis hin zum Historiker. Ausländerpässe mussten beantragt
werden, wir setzten die ersten vorsichtigen Schritte auf die Straßen und in den
ersten Tagen habe ich auch aus Unsicherheit die Kamera lieber im Haus gelassen.
Gestern Abend hatte ich den bis jetzt tollsten Abend in
Cali. Wir sind eine Weile durch die Stadt gelaufen, dann bergauf. Oben wartete
nicht nur ein atemberaubender Blick auf die Stadt bei Nacht auf uns, sondern
auch eine besonders beeindruckende und für mich ganz neue Art zu Tanzen. Bei
Cali könnte man an Salsa denken, aber es handelt sich um andinische Tänze. In der Mitte befindet sich ein Vortänzer, um
ihn herum in mehreren Kreisringen Menschen, die sich zu den Klängen indianischer Musik bewegen. Auch wir Freiwilligen haben uns nach einiger Scheu in den
Kreis eingeordnet, und versucht den Bewegungen der tanzenden Menge zu folgen.
Es war ein wahnsinnig inspirierender Abend und ich fand es wunderschön, dass
die Kultur der Indigenen auf diese Weiße auch von der Bevölkerung gelebt wird
und gefeiert wird.
Heute (Samstag) wartete ein besonders toller Programmpunkt
auf mich, ich habe meine Arbeitsstelle besucht. Das „Colegio de las Aguas“
und die „Talleres de las Aguas“. Dazu fuhren
wir erst mal mit dem Bus hoch nach Montebello. Montebello ist eine
Flüchtlingsansiedelung am Stadtrand von Cali. Von hier stammen auch die meisten
Schüler der „Escuela para la Vida“. Ich hatte eigentlich erwartet, dass dieses
Viertel mich wahnsinnig traurig machen würde, doch irgendwie empfand ich etwas
seltsam Anmutiges beim Anblick der kleinen am Hang gebauten Häuschen. Viele der
Bewohner Montebellos hatten durch Zäune und Blumen versucht, innerhalb der sehr
einfachen Verhältnisse sich ein wenig Schönheit zu bewahren.
"Kolumbien, ich glaube an dich"- eine bemalte Wand in Montebello
Blick in einen kleinen Vorhof mit Miniladen in der Flüchtlingssiedlung
"Zu Verkaufen"
Ich hatte mir
bevor ich hierher kam, vorgenommen, etwas umzudenken. Als wir in Mexico im
Urlaub waren, hat es mich nämlich nach einer Weile wahnsinnig belastet zu
sehen, dass es Menschen gibt, die ihr Geld beispielsweise damit verdienen
müssen, an roten Ampeln Sachen zu verkaufen, die eh keiner will. Irgendwann hab
ich mich dann richtig gefreut bald zurück nach Deutschland zu können, weil mich
diese deutsche Denkweiße ziemlich bedrückt gemacht hat. In Kolumbien will ich
den deutschen Maßstab am besten zu Hause lassen, denn trotzallem gehören die
Kolumbianer zu den glücklichsten Menschen auf der Welt. Ich meine in den Bergen
Montebellos etwas von diesem „Trotzallem“-Gefühl gesehen zu haben.
Escuela para la vida
Dann am Ende einer Straße die ersten Teile einer
Bambuskonstruktion – das Colegio. Am Eingang ein Willkommensschild für uns
Freiwillige. Ich betrete das Gelände und bin überwältigt und gerührt von den
glücklichen Kindergesichtern, dem Willkommenskomitee, der Schönheit des Ortes.
Ich beginne genau in dem Moment zu begreifen, wie viel Herzblut und Opfer
hinter dieser Schule stecken. Und ich ziehe den Hut vor all den Menschen, die hier Übermenschliches leisten, mit aller Kraft an die Sache glauben und sie
Wirklichkeit werden lassen. Das erste Gebäude, das wir uns ansehen, ist „La
Vieja“-Die Alte. Vorher stand hier das einzige bestehende Gebäude des Geländes,
jetzt ist es einer 3-stöckigen Bambuskonstruktion gewichen. Dort sind die
Talleres einquartiert, die verschiedenen Berufsausbildungseinheiten. Hier finde
ich dann auch das Taller Textil, in dem ich arbeiten werde. Kurz schaue ich in
das Klassenzimmer und bin positiv überrascht. Es wird tatsächlich gerade schon
genäht. Im Moment fehlt es wohl vor allem an Stoffen und an Auszubildenden. Das
Taller hat nur drei Auszubildende, aber zumindest mit einem kleinen Nachschub
an Stoffen kann ich aushelfen. Der Ausbilder soll zu den engagiertesten zählen
und hat auf mich sehr sympathisch gewirkt.
Die Auszubildenden von Hotel und
Tourismus haben uns dann weiter über das Gelände geführt. So kamen wir zum
Beispiel auch am ehemaligen Schulbus vorbei, der, weil er nicht besonders
verlässlich war, nun als Klassenzimmer genutzt werden kann.
Hier haben wir eine kleine Gruppe von Schülern entdeckt, die
in ihrer Pause für uns Gitarre gespielt haben. Das Colegio bietet nachmittags
zusätzliche Angebote für die Schüler an, wie beispielsweise der
Instrumentalunterricht oder Kunst.
Ein kleiner Blick in den Unterricht. Hier wird nicht nur wie in Deutschland stillgesessen. Wenn man über das Gelände geht, hört man es aus dem einen Klassenzimmer singen, im nächsten wird zu lauter Musik getanzt. Die Kinder sind total quirlig und wenn unser Freiwilliger Robin, der schon seit einem Jahr hier arbeitet, an den Kindern vorbeiläuft, fangen alle Kinder an „Robiiiiin“ zu schreien und umarmen ihn.
Die Auszubildenden der Schreinerei. Sie haben beispielsweise
auch die Hochbetten gezimmert, in denen wir schlafen.
Und nun noch ein paar weitere Impressionen vom Gelände
Estatua Cristo Rey
Um die Verwirrung etwas aus dem Weg zu räumen. Samstag, als ich den Blogeintrag eigentlich online stellen wollte, hatten wir kein Internet, wie gerade auch nicht. Deswegen kann ich nun von einem weiteren tollen Tag berichten. Morgens hatten wir ein Treffen mit unseren Mentoren in den Einsatzstellen, und unseren Mentoren für die Freizeit. Die Mentoren für die Freizeit bringen uns Cali und die Kultur näher, und versuchen uns zu helfen, dass wir hier schon bald gut integriert sind. Heute haben uns dann gleich zwei der Kolumbianerinnen mitgenommen, und wir sind zuallererst in ein Shopping Center gefahren. Das Essensangebot war sehr westlich, von Subway bis Pizza, aber die Pizza hatte dennoch einen Hauch Kolumbien! Sie war unter anderem mit Ananas und Banane belegt. Gewöhnungsbedürftig :). Danach fuhren wir bei kolumbianischer Musik hoch in die Berge, zur „Estatua Cristo Rey“. Die sieht im Prinzip aus wie die Christusstatue in Brasilien, ist wohl nur etwas kleiner. Aber das tollste ist der Blick auf die gesamte Stadt, besonders beeindruckend ist das natürlich wenn man den Blick vom Wennenberg mit dem auf Cali vergleicht.
Dann gab´s noch Chelado (Wenn ich mich recht erinnere),
das ist Crusheis mit den verschiedensten Früchten (Mamey, Ananas, Maracuja, etc.)
und alles übergossen mit dicker und extrem süßer Kondensmilch. Rico!